Eine Woche Entschleunigung und savoir vivre

    Ketmie U.
    15.08.2010
    Eins vorweg: Es war traumhaft, abenteuerlich (auch anstrengend...), gemütlich und lecker. An einem Samstag Nachmittag kamen wir (2 Erwachsene und zwei Töchter,7 und 9 Jahre) an der idyllischen Station in Fontenois-la-Ville an. Fontenois ist eines dieser typischen kleinen französischen Dörfer, etwas abseits der Nationalstrassen gelegen, die Station mitten im Ort entfaltet sich hinter einem Torbogen, der gleichzeitig Eingang zum Dorfrestaurant ist, in welchem wir unser erstes und letztes Abendessen am Ende der Woche zu uns nahmen. Wir wurden von Madame an der Rezeption der Station in Empfang genommen, es gab erste Hinweise zur Route und dem Pferde- und Roulotteumgang. Wir lernten unsere Mitstreiter, eine ganz, ganz liebe Familie (2 Erwachsene und zwei Söhne, 7 und 9 Jahre alt) kennen und wir wussten gleich: das wird super. Am nächsten Tag ging es morgens zunächst weiter mit der Erklärung des An- und Abschirrens sowie des Anspannens des Pferdes vor den Roulotte. Französischkenntnisse - wie von Renatour beschrieben - sind hilfreich. Nicht nur an dieser Stelle, sondern vor allem für die wunderbaren Abende mit unseren französischen Gastgebern an den Stationen (vor allem sollte man schon mal Superlative für die Köchinnen üben). Danach ging es los: Wir erhielten unsere Pferde. Unseres hieß Ketmie und war frech, das unserer Mitstreiter hieß Fougeuse und war superlieb und gemütlich. Dann wurden wir ins kalte Wasser geworfen, Verantwortung für Pferd und Wagen, drückende Hitze - hat das Pferd genug getrunken, haben die Kinder getrunken, wo geht es lang.... Nach einer Stunde hat man alle Alltagssorgen vergessen und entdeckt so viel Neues, Dörfer, Hügel, Riesenpferdebremsen, Pferdemist... Am Abend waren wir dann schon etwas kaputt, aber Monsieur und Madame Thevenot, unsere Gastgeber der ersten Station, bauten uns ganz französisch gastfreundlich wieder auf. Psychisch- "zeig dem Pferd auch mal, dass Du der Chef bist" und physisch (4 Gänge, u.a. ein unglaubliches Ratatouille). Irgendwie ging es die ganze Woche so schön weiter, ob bei Familie Jardel (im Wohnzimmer mit den Enkelkindern aus Paris) oder Monsieur Rauber in Basse-Vaivre, dessen Frau uns am französischen Nationalfeiertag einen Truthahnbraten servierte. Während der Etappen legten wir mittags immer eine 2-3 stündige Picknickpause ein. Hierbei muss erwähnt werden, dass unsere Mitreisenden viel mehr Vorräte dabei hatten als wir und das war gut so. Zwar hatte uns Renatour vorher darauf aufmerksam gemacht, dass es unterwegs keine Einkaufsmöglichkeiten geben würde, aber wir hatten das nicht so ganz ernst genommen. Zu Unrecht! Zwar haben wir unterwegs ab und zu einen Brotwagen erwischt und eines der wenigen Brote, die dieser noch hatte, ergattert und auch mal einen Bäcker gefunden, der zufällig gerade auf hatte, aber oft hatte der nur für die Dorfbewohner abgezählte Brote und für uns war nichts mehr übrig. Da man unterwegs vollständig verdreckt und daran auch frische Kleidung nichts Wesentliches ändert und man auch keine Zeit und Kraft für eine Fahrradtour hat, empfehlen wir, lieber mehr Vorräte und weniger Klamotten, Fahrräder und sonstiges Gepäck mitzunehmen. Natürlich haben wir nicht nur gegessen, aber die Abende bei Rotwein bleiben in besonders schöner Erinnerung. Die Tage waren eine Wiederentdeckung des Ursprünglichen und Langsamen. Die so herrlich gar nicht touristischen Vogesenausläufer zu durchfahren, man kann es kaum in Worte fassen, muss man erleben. Und dann unsere Pferde - wenn man morgens aufwacht und der erste Gedanke ist - ich muss das Pferd füttern ! - ich glaube dann macht man richtig Urlaub. Und es ist wirklich richtig nett, nachts im gemütlichen Roulotte bei Regenprasseln, man weiß Pferd und die Lieben versorgt und freut sich auf die Abenteuer des nächsten Tages. Natürlich geht nicht immer alles glatt, einmal wär uns beim Wenden beinahe der Wagen umgekippt, einmal mussten wir ein nachts von Fougeuse abgestreiftes Hufeisen suchen (was wir fanden!). All das zusammen war das eine der schönsten und sinnvollsten Urlaubswochen, die wir so bislang erlebten. Zum Schluss noch ein Literaturtip: "Die Reisegesellschaft" von Elisabeth von Arnim.