Eseltrecking in den Alpes Maritimes in Südfrankreich

    Ulrich R.
    30.06.2017
    Im winzigen, abgelegenen Weiler Villeplane verbrachten wir die erste Nacht in der Öko-Lodge. Am nächsten Tag erklärte uns Anita Fournier detailreich die Tagesrouten anhand von gut markierten Kartenausschnitten. Offensichtlich sind nicht alle Trecker so «alte Berwanderhasen» wie wir. Erst danach gings zu «unserem» Grautier namens Ouzo, das bereits angebunden bereitstand. Auch hier wurde uns ganz genau gezeigt, wie be- und entladen werden muss, damit Ouzo weder Druckstellen noch das Gepäck Schieflage kriegt. Geduldig liess das Langohr alles mit sich geschehen. Nach über zwei Stunden war es soweit, wir konnten abmarschieren. Willig liess sich Ouzo von mir führen, ein klares «Tsé, Ouzo, tsé» genügte. Ab und zu ein strenges «Non», wenn am Wegrand ein saftiges Büschel Gras oder leckeres Buschwerk gar zu verführerisch lockte. Mein Mann marschierte mit Kartenmaterial und Kamera hinterher, Klapse aufs Hinterteil waren nicht nötig. Bei den warmen Temperaturen und teils steilen Aufstiegen kam selbst Ouzo ins Schnaufen und Schwitzen. Wenn wir eine etwas längere Pause machten, entluden wir ihn, damit er trocknen und genüsslich fressen konnte. Am zweiten Tag schien Ouzo bereits eine «persönliche Beziehung» zu uns zu haben. Zärtlich knabberte er mit seiner weichen Schnute an unseren Knien und Händen. Am Nachmittag führte ihn mein Mann auf die Weide, doch ständig hielt er Ausschau nach mir und wollte nicht fressen. Also setzten wir uns beide mit einem Buch zu ihm ? und jetzt schmeckte das Gras. Mit jeder Stunde wuchs uns das goldige Grautier mehr ans Herz. Wir sind uns bewusst, dass wohl nicht jeder Esel so folgsam, geduldig, treu und zärtlich ist wie Ouzo. Aber gewiss spürte er auch unsere Zuneigung.
    Die Wanderungen an den Hängen im Tal des Var und im Nationalpark Mercantour erfordern sicher eine gewisse Kondition und Ausdauer, bieten ansonsten aber keine nennenswerten Schwierigkeiten und sind gut markiert. Eindrücklich besonders für uns Schweizer war, dass uns während der ganzen Wanderzeit kein Mensch begegnete. Die Hotels, Mahlzeiten und Lunchpakete waren durchwegs sehr zufriedenstellend, die Kontakte mit den Gastgebern äusserst herzlich.
    Leider mussten wir die für 7 Tage geplante Wanderung aus familiären Gründen um 3 Tage abkürzen, aber wir werden ganz sicher wieder mal in diese tolle, noch ziemlich unberührte Gegend zurückkehren. Und wer weiss: Vielleicht gibt?s ein Wiedersehen mit Ouzo, dem Engel in Eselsgestalt.