7 Gänge im Valle Maira

    Eva L.
    22.07.2007
    Der Titel des Reiseberichtes steht für zweierlei:- das (mit einer Ausnahme) immer hervorragende Essen (mit bis zu 7 Gängen), das uns auf unserer Wandertour durch das Valle Maira abends serviert wurde und- die 7 Tagestouren von Posto tappa zu Posto tappa, die uns viele unterschiedlichste Eindrücke des Valle Maira bescherten.Um das wichtigste Fazit schon mal vorweg zu nehmen:Ein Besuch dieses Mairatales lohnt sich auf jeden Fall für alle, die gerne wandern und essen – und wir waren froh über die gute Organisation unseres ersten (aber sicherlich nicht letzten) Besuchs dort.Als nicht-bergerfahrene Amateurwanderin war ich (Eva) insbesondere für den Gepäcktransport durch den Sherpabus dankbar; einige Etappen hätte ich sonst sicherlich nicht ohne größere Schwierigkeiten überstanden.Nicht zu verachten waren auch die in der Regel üppigen Lunchpakete, die man jedoch angesichts der abendlichen Menüs tunlichst spätestens mittags um eins verzehren sollte, damit abends wieder Platz im Magen ist.Das Buch "Antipasti und alte Wege" (liegt den Reiseunterlagen von ReNatour bei) hat sich nicht nur im Vorfeld als gute Vorbereitungslektüre sondern auch während der Tour als unerlässliche Orientierungshilfe und interessantes Lesebuch erwiesen – also unbedingt LESEN!!!Jetzt aber der Reihe nach:Aperitif:Ankunft im Valle Maira: Centro Culturale Borgata San Martino (inferiore)Nach langer Autofahrt von Bochum aus (wenn möglich NICHT über den Gotthard und Mailand fahren, sondern die Route über den San Bernardino und das Aostatal wählen, wie vom Reiseveranstalter empfohlen) – zum Schluss kurvenreich auf schmalen Serpentinenstraßen das Mairatal hinauf (dort übrigens nicht auf die beschriebene LINKSkurve talwärts hoffen, sondern direkt vor einer RECHTSkurve den mittlerweile asphaltierten "Feldweg" nach San Martino inferiore nehmen) kommen wir ausgehungert und ziemlich k.o. bei Maria Schneider in ihrem Centro Culturale (www.borgata-sanmartino.com) an und werden direkt zur großen Essenstafel begleitet.Das Abendessen hat bereits begonnen, so dass wir als Nachzügler bei den anderen Gäste sehen können, welche Köstlichkeit uns als nächstes erwartet - 5 Gänge, begleitet von einem Dolcetto d’Alba sowie die ruhige und offene Atmosphäre lassen uns die Strapazen der langen Autofahrt schnell vergessen.Danach sinken wir müde und zufrieden auf’s Matrazenlager in einem – wie alle anderen Gebäude des Centro Culturale auch – sehr schön renovierten alten Haus.Der Urlaub kann beginnen...1. Gang:San Martino (inferiore) – Elva Serre(wir haben 3 Stunden gebraucht – die Zeitangaben sind immer reine Gehzeiten, also Pausenzeiten zusätzlich einkalkulieren!)Wissend, dass die 1. Etappe nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen wird, schlafen wir an diesem ersten Tag erstmal in aller Ruhe aus und genehmigen uns dann ein ausführliches Frühstück, das - wie das Abendessen auch - gemeinsam mit den anderen Gästen an großen Tischen eingenommen wird. Bei Maria Schneider spricht "man" (fast alle Gäste sowie die vielen HelferInnen) deutsch.Bei strahlendem Sonnenschein und schon morgens ziemlich hohen Temperaturen (das soll sich auch in den nächsten 8 Tagen nicht ändern) packen wir zum ersten Mal uinsere Tagesrucksäcke - das restliche Gepäck transportiert zum Glück der Sherpabus. Sonnencreme, Mütze und Fliegenschutz (!) sind bei diesem Wetter ein absolutes Muss, Wanderstöcke bei den teilweise doch erheblichen und steilen Auf- und Abstiegen ein willkommenes Hilfsmittel. Und auf keinen Fall dürfen das "blaue Buch", die (fast) topographische 1:25.000 Karte (nach der allein man sich allerdings NICHT orientieren sollte, da sie ungenau ist; die Karte liegt bekommt man von ReNatour mit den Reiseunterlagen) sowie die ReNatour-Wegbeschreibungen fehlen. Maria Schneider gibt uns zusätzlich noch Instruktionen und weist uns auf heikle Stellen hin, die wir in der Karte verzeichnen.Dann verabschieden wir uns für 7 Tage von San Martino und freuen uns schon jetzt darauf, am Ende unserer Tour noch einen Abend dort verbringen zu dürfen.Die etwa 3-stündige Etappe nach Elva Serre bereitet uns sanft auf das vor, was uns in den nächsten Tagen erwartet:(teilweise steile) An- und Abstiege auf gut begangenen und hervorragend markierten Wegen mit großartigen Ausblicken auf alte Dörfer und vor allem das alpine Panorama sowie einer Vielzahl botanischen Highlights.Wir finden die Tour als Auftakt sehr geeignet und kommen zwar verschwitzt (es ist heiß!), aber nicht übermäßig erschöpft am frühen Nachmittag in Elva Serre an, wo wir noch genügend Zeit habe, uns die berühmte Dorfkirche anzusehen. Der Posto tappa ist nicht besonders schön, aber zweckmäßig, und wir haben ihn, obschon Samstag ist und viele Wanderer unterwegs sind, in dieser Nacht für uns.Das 7-gängige Abendessen ist hervorragend - Elva wird in der aktuellsten Auflage des "blauen Buches" zurecht in die Riege der besonders erwähnenswerten Küchen des Tals aufgenommen!Wir sinken satt und zufrieden in unsere Betten - nicht ohne uns zuvor (wie an jedem Abend) die für den nächsten Tag geplante Route genau anzusehen und auf der Karte zu markieren.2. Gang:Elva Serre – Ussolo (ab Chiosso 5 Stunden, 45 Minuten)Wir haben Glück - nach einem wieder ausgiebigen Frühstück bringt uns der Wirt mit dem Auto nach Chiosso superiore. So sparen wir ein unspektakuläres, asphaltiertes Stück des Percossi Occitani (und 45 Minuten, was uns angesichts der angegebenen reinen Gehzeit von 6-einhalb Stunden nur Recht ist).Ab Chiosso führtuns der P.O. dann auf einsamen, größtenteils sehr schönen Wegen auf und ab und auf und ab bis nach Ussolo (wir verzichten hier auf eine Beschreibung der landschaftlichen Eindrücke, da sie sich weitgehend mit den im "blauen Buch" beschriebenen decken).Die Länge der Etappe führt dazu, dass wir ziemlich k.o. im Posto Tappa ("Carlina") in Ussolo ankommen, der zur Zeit umgebaut wird, so dass wir zum Schlafen ausquartiert werden (wieder haben wir den Schlafraum für uns). Der Essraum ist dagegen schon fertig und deutet auf eine geschmackvolle Renovierung des Gebäudes hin.Nachdem wir uns etwas ausgeruht haben, serviert Carla uns ein köstliches 6-gängiges Abendessen - diesmal begleitet von einem Barbera d’Alba.3. Gang:Ussolo – Campo Base (6 Stunden, 30 Minuten)Das Morgenritual hat sich bereits etabliert: Aufstehen, Frühstück (wie üblich Weißbrot mit Butter und Marmelade/Honig – Achtung: Carlas Kaffee ist lecker, aber nichts für Gelegenheits-Kaffeetrinker), "il conto" begleichen, Rucksack packen, Sonnencreme und Insektenschutz auflegen und los geht’s!Heute steht uns ein langer Aufstieg (700 Höhenmeter) zur Punta Colour bevor, und von dort aus ein langer Weg bis zum "Basislager" unter der Rocca Provenzale.Der Aufstieg lohnt sich unbedingt - die Punta Colour bietet eine herrliche Aussicht auf weite Teile des Valle Maira und - besonders interessant - auf Abschnitte der für die kommenden Tage geplanten Etappen. Allmählich wird es auch hochalpiner, was sich sowohl im Panorama als auch in Flora und Fauna widerspiegelt.Wir nutzen den schönen Platz für unsere Mittagspause – auch wenn der Weg nach Campo Base noch weit und – wie sich herausstellt – vor allem auf dem letzten Wegdrittel landschaftlich weitaus weniger schön ist...Leider entschädigt Campo Base (voll ausgebucht, dabei aber je Geschlecht nur 1 Dusche, wenig engagiertes Personal, absolut betrachtet zwar gut essbares, aber in Relation zu den anderen Abendessen um Klassen schlechteres Menü, GUTE Betten) auch nicht für die ungewohnt „langweilige“ zweite Weghälfte.Dennoch kommen wir zu dem Schluss, dass – zumindest wenn man nicht abends mit dem Taxi nach Chialvetta und am nächsten Morgen wieder zurück nach Chiappera fahren möchte – kein Weg an Campo Base vorbei führt: Die Punta Colour ist, wie wir finden, ein absolutes Muss, und die nächste Etappe startet nun mal im direkt unterhalb des Campo liegenden Dorf Chiappera. Außerdem liefert die Rocca Provenzale oberhalb des Basislagers ein beeindruckendes Bild…4. Gang:Campo Base – Chialvetta (über den Colle d’Enchiausa 7 Stunden)Für diese Etappe gibt es zwei Varianten – so oder so muss man einen Pass überqueren, aber man kann sich entscheiden, ob es der Colle d’Enchiausa mit 2740 m sein soll (dann verlässt man den P.O. ein Stück und folgt der Grande Traversata delle Alpi - GTA), oder der mit 2206 m immerhin über 500 m niedrigere Colle Ciarbonet, den der P.O. vorsieht.Wie entscheiden uns vom Ehrgeiz gepackt und voller Vorfreude auf ein phantastisches Panorama für den Enchiausa-Pass – und werden das (trotz vielen Flüchen und zwei verdrückten Erschöpfungstränen weiblicherseits) nicht bereuen.Der Enchiausa hat es allerdings in sich: 1200 Höhenmeter wollen überwunden werden, und dies im letzten Wegdrittel über Geröllhalden hinweg auf zwar zunächst gut erkennbaren und begehbaren Wegen, zuletzt aber kaum noch nachvollziehbar über einen Blockgletscher (nein, kein Eis, sondern nur dicke Gesteinsblöcke; nur seitlich des Weges gibt’s auch im Sommer kleine Schneereste) und einen Schutthang – und das, nachdem man schon 1000 Höhenmeter in den Beinen hat.Aber der Weg bietet so viele unterschiedliche und immer wieder tolle hochalpine Eindrücke (inkl. zweier Alpseen und der Chance, einen Adler und viele Murmeltiere zu Gesicht zu bekommen), dass wir ihn unbedingt jedem, der sich traut, empfehlen! Und: Oben angekommen ist man – zurecht – STOLZ! (Für die Pause auf dem Pass braucht man auf jeden Fall wärmende Kleidung!)Natürlich muss man einen Großteil der erklommenen Höhenmeter auch wieder absteigen – dies ist jedoch weitaus weniger schwierig als es von oben aussieht; wir verlieren schnell an Höhe und wandern durch wunderbar blühende Alpwiesen (mit Edelweiss und Orchideen).In Chialvetta erwartet uns ein wunderbares, sehr ursprüngliches Posto Tappa, das von dem Mairatal-Original und kreativen Koch Rolando Comba geführt wird, der gleichzeitig auch ein SEHENSWERTES Museum für historische Alltagsgegenstände aus dem Mairatal eingerichtet hat.Wir haben ein kleines, gemütliches 4-Bett-Zimmer für uns und freuen uns auf eine heiße Dusche und das – im blauen Buch schon verlockend angekündigte – Abendessen. Und wir werden nicht enttäuscht! Es schmeckt mal wieder fantastisch, und alle sind unglaublich freundlich, so dass wir auch hier – ähnlich wie in San Martino (und in den noch folgenden Posti Tappi) das Gefühl haben, für diesen einen Abend „dazu“ zu gehören.5. Gang:Chialvetta – Finello (6 Stunden, 30 Minuten)Diese Etappe führt über Nebenstrecken des P.O. – wieder über einen Pass (den Colle Soleglio Bue), und wieder geht es steil bergauf (und hinterher auch teilweise extrem steil wieder hinab), wenn auch diesmal „nur“ 850 Höhenmeter.Wir bedauern zwar, die von Wanderern angepriesene Hochebene Gardetta zu verpassen, die der P.O. eigentlich von Chialvetta aus ansteuert, trösten uns dann aber mit Maria Schneiders Aussage, man müsse sich auch etwas für einen nächsten Besuch im Mairatal übrig lassen…Außerdem merken wir schnell, dass auch diese Etappe wieder etliche landschaftliche Höhepunkte bietet. Vor allem kann man vom Anstieg auf den Soleglio Bue aus immer wieder stolz auf die „Besteigung“ des Enchiausa-Passes zurückblicken. Und man kann bei klarer Sicht (die wir hatten) den mit 3841 m höchsten Berg der Umgebung sehen: den Monviso.Nach der schweren Etappe vom Vortag fällt zumindest mir (Eva) der Anstieg zum Pass extrem schwer – ein Ruhetag hätte mir sicherlich gut getan. Auch beim Abstieg melden sich sämtliche Gelenke, die einem wehtun können…Trotzdem: Größtenteils ist auch dieser Tag wieder sehr gelungen, und gekrönt wird er (nach einem allerdings ziemlich fiesen, weil sehr steilen Abstieg durch einen Wald) von unserer heutigen Unterkunft: dem „Lou Pitavin“ in Finello. Geführt wird das liebevoll restaurierte Haus vom Enkel des Erbauers und seiner Frau – einem jungen, sehr freundlichen Ehepaar (er spricht Englisch).Fast haben wir uns schon daran gewöhnt, die Mehrbettzimmer für uns zu haben, so dass wir zwar erfreut, aber nicht überrascht sind, dass es auch hier wieder so ist.Das Zimmer ist schön restauriert, die Betten sind neu und bequem, es gibt eine Dusche mit Massagefunktion, ums Haus herum lädt ein schöner Garten mit Liegestühlen zum Ausruhen ein usw. – was will man mehr… denken wir.Aber es kommt noch viel besser: Marco und seine Frau Valeria kochen nämlich auch noch sterneverdächtig! Alles sieht toll aus und schmeckt mindestens genau so gut (es gibt köstliches, selbst gebackenes Brot – wir freuen uns schon auf das Frühstück und die Lunchpakete). Wir genehmigen uns zu diesem wundervollen Essen einen Nebbiolo (der allerdings, weil er aus einer anderen Region Italiens kommt, nicht Nebbiolo sondern Roero heißt) und sind glücklich!6. Gang:Finello – Palent (4 Stunden entspanntes Gehen)Nach vielen Stunden Schlaf (angesichts der kurzen Etappe schlafen wir aus) und einem hervorragenden Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Palent. Dort sollen uns ein weiteres Urgestein des P.O., Matteo Laugero, und seine Frau erwarten, über die wir im „blauen Buch“ schon viel gelesen haben und auf die wir sehr gespannt sind.Die Etappe ist größtenteils sehr schön und bequem zu gehen, so dass die Beine/Füße heute geschont werden. Nach einem langen, sehr angenehmen Weg entlang des Monte Buc (Wegbeschreibung s. „blaues Buch“) gilt es lediglich einen (kurzen) steilen Aufstieg und zwei (ebenfalls kurze) steile Abstiege zu überstehen, dann sind wir in Palent, das für seine Kräuterschnäpse (Genipi, Amaro und Achillea) bekannt ist, die Matteo biologisch-dynamisch erzeugt.Das sehr gemütliche und ebenfalls kürzlich renovierte Posto Tappa ist voll ausgebucht, so dass sich eine große Gruppe an den beiden Esstischen einfindet. Virginia wurde uns schon als gute Köchin angepriesen, und auch sie übertrifft unsere Erwartungen. Uns wird ein üppiges Menü serviert, das voll und ganz den Prinzipien der Beiden entspricht: alle Zutaten stammen aus den eigenen Kräuter- und Gemüsegärten, das Brot (Weißbrot und helles Vollkornbrot) ist selbst gebacken, die Zusammenstellung der Speisen ist sehr individuell und KÖSTLICH! Dazu gibt es aus einer 2-Liter-Flasche eine ebenfalls sehr schmackhafte Cuvée aus Barbera und Dolcetto.Matteo begleitet das gesamte Abendessen mit seinen Erzählungen, die wir leider nur rudimentär verstehen (wir sprechen kein Italienisch und verstehen nur sehr wenig) – aber auch so ist es toll, ihm zuzuhören.Den Abschluss des gemütlichen Abends bildet eine Verkostung der diversen Schnäpse, die Matteo braut.7. Gang:Palent – San Martino inferiore (4 Stunden)Unser letzter Wandertag hält noch mal einen Ab- und einen Aufstieg bereit – damit wir nicht vergessen, dass wir in den Alpen sind. Auch diese Etappe verlässt den P.O. und führt uns über eine Nebenstrecke erstmal abwärts nach Stroppo (hinunter zur Maira, die wir auf unserer bisherigen Tour immer nur von Weitem gesehen haben), um dann auf der anderen Talseite wieder nach an Martino anzusteigen. Beides (Ab- und Anstieg) ist gut zu schaffen. Zwischendurch ergeben sich immer wieder schöne Ausblicke auf das Tal und auf die mittlerweile bekannten Berge und Orte.Diese Etappe bildet einen schönen Abschluss des Rundkurses – der Abschied vom Mairatal fällt uns trotzdem schwer. Aber ein Abend in (wie wir wissen) entspannter, gemütlicher Atmosphäre liegt ja noch vor uns…Im diesmal voll ausgebuchten San Martino wieder anzukommen ist ein bisschen wie eine Rückkehr nach Hause. Wir kennen uns in dem schönen Ensemble schon aus, erkennen einzelne Gäste wieder und können den P.O.-Startern, die ihren Wanderurlaub noch vor sich haben, Tipps geben.Das Abendessen ist – wie soll es anders sein – wieder hervorragend… der Abschied wird uns schwer fallen!Digestif:Abschied vom Valle MairaMit guten Wünschen von Maria Schneider und nachdem wir letzte Fotos vom Centro Culturale gemacht haben, verlassen wir etwas wehmütig San Martino. Zum Glück liegen noch ein paar Serpentinenstraßen vor uns, so dass der Abschied vom Mairatal nicht zu abrupt erfolgt.Schön war’s!