Wunderbare Woche mit Esel

    Gunther G.
    20.07.2007
    Blumenübersähte Hochebenen, jahrhundertealte Herbergen, herzliche Menschen und ein treuer Esel, der nebenher trottend genüsslich kaut – herzlichen Dank an alle Beteiligten für die wunderbare Woche, die meine Partnerin und ich vom 16.06.-22.6.2007 mit der Reise – „Eselwandern in den französischen Südalpen“ verbracht haben.Nach einer recht langen Anfahrt erreichten wir erst am sehr späten Abend die Unterkunft in Villeplane, dem winzigen alten Dorf, in dem die Wanderung begann. Wir können nur jedem empfehlen, früh genug zu starten – denn es wäre bedauerlich das rustikale Abendessen zu verpassen, das Jeremy nun auftischte. Schon dieser erste Abend und die Übernachtung in einem der uralten Steinhäuser des 5-Einwohner-Dorfes gaben einen Vorgeschmack auf die Ruhe und Freundlichkeit und den Genuss, die den Urlaub prägten.Am nächsten Morgen erklärte uns Christine in fließendem Englisch die kommenden Tageswanderungen, ihr Mann brachte uns in der Zeit unsere Eseldame und wies uns in den Umgang mit dem Tier ein: täglich Striegeln, Wundpflege, Satteln – da ist so einiges, was ein Städter wissen sollte, der selten Umgang mit Tieren größer als eine Katze hat. Am späten Vormittag gings dann los. Nicht ohne Grund ist die erste Wanderung recht kurz: schließlich kosten die ersten Kilometer doch etwas mehr Zeit... so ein bisschen unsicher ist der Städter ja schon: wie packt man das Tier nun eigentlich an? Ich hatte den Eindruck, der Esel hatte ganz ähnliche Gedanken, konnte aber seine Vorstellungen von der Hierarchie unseres Miteinanders zunächst konsequenter umsetzen. Die Eseldame honorierte am einzigen steilen Berg des ersten Tages auch nicht, dass ich ihr immerhin etliches Gepäck abgenommen und auf meinem eigenen Rücken getragen hatte. Ein Tip an alle Esel-Neulinge: es lohnt nicht, einen Esel, der gerade stehen will, zu ziehen – er ist erstaunlich stabil! Auch Schieben ist keine wirkliche Alternative, kostet bei geringfügig besserem Effekt bestenfalls weniger Kraft. Und so hatten wir am Abend das Gefühl, nicht nur 5 Kilo Rucksack, sondern auch 300 Kilo Esel getragen zu haben. Ähnlich verschwitzt wie die Esel erreichten wir das erste Etappenziel, ein Dorf, in dem sich das Rathaus und das örtliche Lokal ein Gebäude teilen. In letzterem wurden wir sehr gut bewirtet, nachdem die Esel abgesattelt und gestriegelt auf der nahe gelegenen Weide standen.Die Reise setzten wir am zusammen mit einem sehr netten Urlauberpaar aus Deutschland fort. Die beiden waren am Vortag nur kurz vor uns gestartet und verfügten über deutlich profundere Eselskenntnisse: sie hatten den Urlaub bereits im Vorjahr hier verbracht und im Anschluss aus Begeisterung einen eigenen Esel gekauft. Und nun reisten sie gar in Begleitung zweier Esel. Ihr energisches „Tsé!“ (was der französische Esel als „Hü!“ versteht) war wohl Welten von unserem zögerlichen Rufen entfernt und deutlich besser geeignet, ihre Esel zum Traben zu motivieren. Und ganz freiwillig schloss sich unsere Eselin den beiden neuen Leittieren (den Eseln) an. Der Weg der nächsten Tage führt zunächst durch ein Wäldchen, ein malerisches und sanftes grünes Tal eines Baches, schließlich in langem aber sanft-gleichmäßigem Anstieg auf eine Hochebene, dem Col des Champs. Die Baumgrenze hatten wir unter uns gelassen. Um uns herum saftiges Grün, nur durchbrochen vom Weiß der Steine, der Farbenpracht unzähliger Blumen und kleinen Bächen, welche die feuchte Hochwiese bewässern. Den Horizont begrenzen schroffe Berge. Zum Thema Abstieg gleich die nächste Esel-Lektion. Wie jedermann weiß, befähigt das größere Hirn des Menschen diesen auch dazu, die Gefahren eines abschüssigen Weges besser einzuschätzen als die im direkten Vergleich doch recht einfachen Esel. In dem Wissen um diese Verantwortung führt man sein Tier hinter sich - Schweißperlen von angestrengter Konzentration auf der Stirn, unablässig „Ho!“s schreiend, und mehr oder minder sicheren Schrittes - erdige Wege hinab. Glücklicherweise erkennt man spätestens am dritten Tag, dass der Esel die wenigsten Probleme hat, wenn er auf die Kommandos pfeift und einfach auf die Art und in dem Tempo bergab läuft, für die ihn die Natur nun einmal konstruiert hat. Wenige Meter weiter unten kann man ihn dann bequem wieder einsammeln. Nach der bitteren Erkenntnis, selbst für dumme Esel verzichtbar zu sein, reist es sich deutlich entspannter. Man kann dem Tier vertrauen, nervt es nicht ständig mit unnötigen Rufen - spätestens ab jetzt wird das Menschlich-tierische Miteinander es ein sehr harmonisches Erlebnis. Und so bleibt mehr Zeit, die eindrucksvolle Natur zu genießen. Gerade die Hochebenen bieten unvergessliche Aussichten. Und die Wanderung des letzten Tages zum Lac d´Allos bietet bei sehr leichtem Gelände Ausblicke auf steinige Geröllgipfel und türkis-eisige Bergseen, wie sie wohl sonst nur erfahreneren Bergwanderern vorbehalten sind. Murmeltiere raufen sich nur wenige Meter entfernt vom Wanderer, in dessen behäbigen Bewegungen auch Steinböcke keine Gefahr sehen und sich ausgiebig betrachten lassen. Und mit etwas Glück sieht man neben den Adlern auch einen der drei Meter großen Geier schweben.Vielleicht eine Anmerkung zu der Wanderung über den Col des Champs am vierten Tag. Etwas Kondition kann hier sicherlich nicht schaden. Bei unserem zugegebenermaßen gemütlichen Tempo erreichten wir das Ziel erst gegen 18:00 Uhr, also nach fast achtstündiger Wanderung nach einem Abstieg von rund 900 Höhenmetern. Sehr kleine Kinder könnten verständlicherweise auf den Gedanken kommen, den einen oder anderen Kilometer auf den Schultern der Eltern hinter sich zu bringen.Ich muss im Übrigen dem weit verbreiteten Vorurteil entgegentreten, ausgedehntes Bergwandern sei geeignet um abzunehmen. Das Gegenteil ist der Fall. Ohne nähere wissenschaftliche Kenntnis vermute ich, dass es an den täglichen Abendmahlzeiten liegen könnte. Die durchweg sehr freundlichen Herbergsbetreiber ließen es sich nicht nehmen, uns mit mindestens drei Gängen zu verwöhnen, deftig ländlichen Mahlzeiten, die nicht selten mit einem selbstgebackenen Kuchen oder einer Auswahl regionaler Käse schließen, dazu kräftigem Landwein und das alles in oft familiärer Atmosphäre. Am Ende eines solchen Tages schläft man recht schnell in den gepflegten Betten ein. Und da wir in der Vorsaison reisten, konnten die wenigen Gäste regelmäßig jeweils verschiedene der sonst sicher ausgebuchten Mehrbettzimmer beziehen.Etwas aus dem Rahmen fällt da das einzige recht einfach Hotel der Reise, welches sicherlich ebenso sorgfältig und freundlich geführt wird, jedoch nicht den Charme der rustikaleren Unterkünfte bieten kann.Alles in allem eine eindrucks- und genussvolle Reise. Der Parc national du Mercantour ist zu Unrecht weit weniger bekannt als die Provence: statt deren ausgedehnter Olivenhaine findet man hier bunt blühende Bergwiesen. Gut, es gibt keinen Lavendel, aber – zumindest in der Vorsaison – ebensowenig andere Touristen. Zeitweise begegneten wir an einem Tag einem, vielleicht zwei anderen Wanderern. Sicherlich gibt es in der Haupturlaubssaison deutlich mehr Touristen – und mit Sicherheit auch deutlich weniger Bergblumen, aber es bleibt der Eindruck einer unberührten Landschaft, in der man sich wunderbar erholen kann.