Allez Tendresse, allez Omelie - bien!

    Familie M.
    03.08.2013
    Diese Woche im roten Planwagen war eine tolle Erfahrung, eine Woche Ausstieg aus dem gewohnten Alltag, sieben Tage Einblicke in ein Leben voller körperlicher Arbeit (Anschirren, Abschirren, Wagen schieben, das Pferd versorgen, Wassereimer schleppen, viele Kilometer wandern...) und geistiger Konzentration auf die Bedürfnisse des braven Zugtieres, die Entdeckung der Langsamkeit, die Schönheit der Blumen, Schmetterlinge, Landschaften, die gemächlich am Wegesrand vorbeiziehen. Wir haben gemeinsam mit einer befreundeten Familie mit zusammen vier Kindern (8,10,11 und 13 Jahre alt) zwei „Roulette rouge“ gemietet, davor waren unsere zwei stattlichen Damen „Tendresse“ und „Omélie“ gespannt. Die roten Planwagen sehen zwar nicht so „romantisch“ aus wie die hölzernen „Roulotte“, aber im Nachhinein raten wir doch sehr zu diesem wesentlich leichteren Wagenmodell, weil die Strecken insgesamt viele Steigungen aufweisen und das Zugpferd sich sehr anstrengen muss, den Wagen die Hügel hinaufzuziehen, besonders bei großer Hitze wie wir sie hatten im Juli. Der rote Planwagen wiegt mit etwa 700 kg deutlich weniger als der Holzwagen mit ca. 1200 kg. Zudem können die Kinder auf den Planwagen viel leichter während der Fahrt auf- und absteigen, weil der rote Planwagen hinten eine Tür hat. Auch lassen sich leichter Gespräche mit den hinter einem Fahrenden führen, da der Planwagen nach hinten geöffnet werden kann und nachts ist der rote Planwagen deutlich kühler als der Holzwagen, weil sich tagsüber alle Planen hoch rollen lassen. Im roten Roulotte gibt es eine große Schlaffläche (der heruntergelassene Tisch und beide Bänke bilden das Bett), darüber zwei ausklappbare Schlafpritschen. Wir haben aber ein Moskitonetz mitgenommen und dieses sehr stimmungsvoll und praktisch im Wagen aufgehängt, weil wir nicht von Fliegen umschwirrt schlafen wollten, dann lassen sich aber die Pritschen nicht mehr ausklappen, und nur zwei Personen haben im Wagen geschlafen. Die anderen zwei haben sich jeden Abend rasch ein Zweimann-Iglu-Zelt aufgebaut, so dass alle genug Platz hatten und die erschöpften Glieder ausstrecken konnten. Unsere Freunde haben aber auch zu viert etwas eng gemeinsam auf der Schlaffläche genächtigt, auch das geht. Auch haben wir für uns Erwachsene Camping-Klappstühle eingeladen, damit wir bei den Mittagspausen am Waldrand oder auf einer Wiese gemütlich ausruhen konnten. Unsere Kinder haben eine Woche lang unendlich viel Spass gehabt, haben alle fleissig die ihnen zugewiesenen Aufgaben erledigt, z.B. war unser großer Sohn immer dafür zuständig, bei jedem Halt des Wagens die Holz-Bremsklötze unter den Rädern zu platzieren. Aber unsere Kinder mussten auch viel laufen, um das Gewicht des Wagens am Hügel zu verringern, so dass wir dieses Abenteuer erst mit Kindern empfehlen würden, die alleine aus dem Wagen heraussteigen und etwa 8 -10 km pro Tag laufen können. Sonnenhüte und feste Schuhe nicht vergessen! Am ersten Tag auf der Station in Fontenois-la-Ville haben wir uns zunächst bei Francoise vorgestellt, die Buchung bestätigt und die Kaution hinterlegt. Dann gab es eine erste praktische Einführung an zwei „Testpferden“, bei welchen wir das Anschirren geübt haben: Trense anlegen, das Geschirr über den Rücken legen und schließlich das schwere Kummet um den Hals legen, was besser zwei Erwachsene gemeinsam auflegen. Dann alles richtig miteinander verbinden und auf die Füße aufpassen, weil unsere Pferde etwa 600 kg wiegen! Es wird einem alles geduldig gezeigt, so dass man nicht Französisch sprechen muss, um alles zu begreifen, aber während der Fahrt braucht man schon einige Sätze, zum Beispiel um bei einem Bauern um Wasser für die Pferde zu bitten, wenn die Kanister leer geworden sind. Wir haben uns die notwendigen Sätze rasch angeeignet und alle Menschen am Wegesrand waren stets sehr hilfsbereit und kennen natürlich auch die regelmäßig an ihnen vorbeiziehenden Roulottefahrer und ihre Bedürfnisse schon... Am nächsten Morgen haben wir mit dem wirklich sehr freundlichen und hilfsbereiten Jacky unsere zwei Pferde geholt: Tendresse und Omélie, zwei regionale rotbraune Schönheiten mit sehr unterschiedlichem Temperament! Wir haben wirder unter den kritischen Augen von Jacky angespannt und er hat uns noch einige Kilometer begleitet, damit wir das Wagenlenken und Bremsen richtig lernen. Dann ging es mit den guten Wegekarten alleine weiter und wir haben viele schöne Dörfer durchfahren – immer den Schildern nach „Roulez nature“! Von uns vier Erwachsenen hatte keiner wirklich Pferdeerfahrung, aber wir haben unsere tapferen, starken und braven Pferde in den sieben Tagen absolut ins Herz geschlossen. Aber wir haben auch nie den Respekt verloren vor der großen Kraft dieser Tiere und wir haben uns stets mit größter Konzentration an das An- und Abschirren gemacht, haben immer zuerst die Pferde versorgt, bevor wir uns um das Picknick oder Abendessen gekümmert haben und wir raten dazu, dass mindesten zwei Erwachsene pro Tour dabei sind, die keine Angst vor Pferden haben, denn man muss mit den Tieren arbeiten können, ihre individuelle „Arbeitsweise“ kennen lernen und auch die Courage haben, das Pferd zu beruhigen, wenn es aufgeregt und unruhig ist, wenn es wieder einmal von vielen Bremsen geplagt wird. Wir haben ganz viele dieser Quälgeister mit der von uns mitgebrachten Fliegenklatsche erschlagen! Autan für die Mitfahrer nicht vergessen! Abends haben wir immer neugierig unsere Stationen erreicht und uns dann sehr gefreut, wenn wir am Abend vorher doch ein Abendessen gebucht hatten, statt selbst zu kochen (was wir auch einmal gemacht haben), weil es immer sehr schön war, sich nach der Versorgung von Tendresse und Omélie nicht mehr um irgendetwas kümmern zu müssen – schließlich ist man ja im Urlaub!! Es gab auch nur einmal einen Supermarkt auf der Strecke, ansonsten sind die Dörfer zu klein für Geschäfte... Dazu gab es immer sehr leckeres Essen und sehr freundliche Gastgeber. Manchmal haben wir mit der ganzen Bauernfamilie am großen Tisch gesessen und uns über die Biolandwirtschaft in Frankreich unterhalten, manchmal haben wir uns von unserer Gastgeberin gleich das Rezept ihres köstlichen Nachtischs aufschreiben lassen (Zuhause wird er bestimmt nicht soo gut schmecken wie im Urlaub!). Immer gab es noch eine Käseplatte (wir sind in Frankreich!) und am Anfang einen Apéritif. Das war wirklich schön! Wir hatten zweimal Probleme mit den Pferden auf unserer Tour 3, einmal kamen sie bei größter Hitze einen langen Berg nicht hoch, denn wir hatten noch nicht die Erfahrung gemacht, dass das Pferd eine lange Steigung wirklich in vielen kleinen Strecken gaaanz langsam bewältigen kann und einfach immer wieder stehen bleiben muss, um dann wieder anzuziehen, und einmal hakte die Bremse eines Planwagens, dann haben wir immer Jacky angerufen und er kam nach einer Stunde und zwanzig Minuten, um uns weiter zu helfen. Und wir wurden auch immer besser im Umgang mit Pferd und Wagen, so dass wir mit jedem Tag entspannter wurden und uns sicherer gefühlt haben. Diese Woche im „Roulotte rouge“ war etwas ganz besonderes und hat uns als Familie und als Freunde näher zusammengebracht, denn jeder von uns, Erwachsene wie Kinder, musste sich in unsere (Arbeits-)Gemeinschaft einfinden, unsere Pferde mit eingeschlossen, welche wir immer ermutigend angefeuert haben: Allez Tendresse! Allez Omélie!